«Ich gehe nicht mehr in die Badi»

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Psoriasis ist bei weitem nicht nur ein ästhetisches Problem. Begleiterkrankungen machen sie zu einer Herausforderung für Betroffene und Ärzteschaft.

Ein Interview von Moritz Lüchinger
Publiziert am 22.08.2020 im Blick.ch


Psoriasis, so heisst die Schuppenflechte im Fachjargon, ist eine der häufigsten Hauterkrankungen der Welt. «Rund zwei Prozent der Bevölkerung sind betroffen», sagt Dr. Marianne Meli, Leiterin der Permanence in Zürich. So auch S. K.* (66) aus Thun. Bereits seit 36 Jahren lebt sie mit dem juckenden Hautausschlag. «Gemerkt habe ich es, als sich hinter meinen Ohren ein dicker, entzündeter Schorf entwickelte» erzählt sie.

Hautzellen teilen sich schneller
Solche entzündlichen Stellen sind typisch für die Schuppenflechte. «Sie treten oft an Stellen auf, die Reibung, Druck oder Verletzungen ausgesetzt sind – zum Beispiel an den Ellenbogen oder Knien», erklärt Dr. Meli, «aber auch die Kopfhaut ist oft betroffen.»

«Die Psoriasis ist eigentlich eine Autoimmunerkrankung und nicht heilbar», führt die Expertin aus, «das Abwehrsystem ist gewissermassen übereifrig.» Die Überaktivität hat zur Folge, dass sich die Hautzellen bei Betroffenen etwa acht Mal schneller teilen als beim Rest der Bevölkerung. Ausserdem werden vom Immunsystem mehr Entzündungsfaktoren ausgeschüttet, was zur Folge hat, dass sich diese Stellen entzünden.

Schuppenflechte ist vererbbar
«Die Haut ist gar nicht in der Lage, die alten Hautschuppen so schnell abzuwerfen. Diese sammeln sich an und bilden den typischen Schorf – der durch die Entzündung oft noch gerötet ist», weiss Dr. Meli.

S. K. ist nicht die Einzige in ihrer Familie, die mit der Schuppenflechte zu kämpfen hat: «Bereits meine Grossmutter litt darunter und mein Bruder sowie meine Schwester haben es auch.» «Das ist typisch», sagt Dr. Meli dazu, «Psoriasis tritt in Familien gehäuft auf. Oft ist die Veranlagung im Erbgut und wird innerhalb der Familie weitergegeben.»

Depressionen keine Seltenheit
Die Schuppenflechte ist eine vielschichtige und mitunter komplizierte Krankheit. «Zum einen sind die juckenden Ekzeme sehr unangenehm und können regelrechte Schmerzen bereiten», berichtet S. K., «zum anderen sehen sie halt auch einfach nicht schön aus.» Öfter mal müsse sie deswegen unangenehme Fragen beantworten, erzählt sie. «Und in die Badi gehe ich seit Jahren nicht mehr.» Bei ihr selbst sei es zwar nicht so schlimm, aber sie wisse von Menschen, die wegen der Schuppenflechte Depressionen entwickelt haben.


Gefährliche Begleiterkrankungen
«Die Schuppenflechte kann wegen ihrer Auffälligkeit psychisch eine sehr belastende Erkrankung sein», pflichtet Dr. Meli bei, «und auch für den Körper ist sie nicht einfach zu handhaben.» Sie betrifft nämlich nicht nur die Haut, sondern kann eine ganze Palette von Begleiterkrankungen mit sich bringen. «Neben den psychischen Schwierigkeiten können vor allem auch die Gelenke Schaden nehmen. Auch das Risiko, Diabetes zu entwickeln, ist bei Psoriasis-Patientinnen und Patienten viel höher», führt Dr. Meli aus.

Auch Gelenke können Schaden nehmen
Davon weiss auch S. K. zu berichten. Bei ihr blieb es nicht bei den juckenden Schorfstellen: «Mit den Jahren entwickelte sich bei mir ein Diabetes. Und seit drei Monaten habe ich eine psoriatische Arthritis in der Schulter», erzählt sie. «Neben dem Stoffwechsel sind es vor allem die Gelenke, die durch die sogenannte Psoriasis-Arthritis massiven Schaden nehmen können», erzählt Dr. Meli. «Weil das schlimm enden kann, sollte in solchen Fällen unbedingt ein Rheumatologe konsultiert werden.»

Verschiedene Behandlungsformen
Die gute Nachricht ist: Dr. Meli zufolge kann eine Schuppenflechte heutzutage so effektiv behandelt werden, dass gut mir ihr gelebt werden kann. «Uns stehen je nach Schweregrad verschiedene Therapieformen zur Verfügung: Bei weniger schweren Fällen, wo nur vereinzelt kleine Stellen betroffen sind, setzen wir Cortison-Cremes ein. Bei schlimmeren Fällen machen wir eine sogenannte Licht-Therapie. Das Licht wirkt entzündungshemmend und verlangsamt die Zellteilung», führt Dr. Meli aus, «und bei schweren Fällen werden sogenannte Biologika eingesetzt.» Biologika sind neue, relativ teure Medikamente, die regelmässig gespritzt werden müssen. Sie wirken genau in denjenigen Bereichen des Immunsystems, die für die Entzündungen in der Haut und in den Gelenken verantwortlich sind.

Psoriasis unbedingt behandeln
S. K. geht relativ entspannt mit ihrer Psoriasis um. Sie weiss aber, dass es Menschen gibt, die viel mehr zu kämpfen haben als sie. «Hätte ich früher gewusst, dass solche Begleiterkrankungen auftreten können und, dass man etwas dagegen tun kann, wäre mir heute einiges erspart geblieben», sagt sie. «Mein Rat ist deshalb, dass Menschen, die eine Psoriasis diagnostiziert bekommen, diese unbedingt behandeln und somit das Risiko für allfällige Begleiterkrankungen minimieren.»


*Name der Redaktion bekannt