Manchmal spielt der ganze Körper verrückt

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Die nachfolgende Reportage wird mit freundlicher Genehmigung der TopPharm Apotheken und Drogerien Genossenschaft veröffentlicht und ist erstmalig im  „TopPharm Apotheken Ratgeber“ 2/2019 erschienen.

 

Schon seit ihrer Kindheit lebt Liliane mit Psoriasis – und hofft, dass endlich offener über die Autoimmunkrankheit gesprochen wird.

Von Sara Probst  «Von meiner Psoriasis habe ich mich nie ein­ schränken lassen», sagt Liliane bestimmt, «weder im Beruf noch privat.» Mit ihren 70 Jahren führt sie immer noch ein aktives Leben: Die Genferin mit Deutschschweizer Wurzeln verbringt ihre Freizeit gerne mit Basteln, hält sich mit Gymnastik fit und geniesst den Austausch mit anderen Menschen. Bis zu ihrer Pensionierung übte sie wohl gerade des­ halb Berufe aus, in denen sie viel Kundenkontakt hatte. Ursprünglich machte sie eine Lehre zur Coiffeuse, arbeitete danach viele Jahre in der Gastronomie und absolvierte schliesslich eine Ausbildung  zur Vergolderin-Einrahmerin. «Bei manchen Arbeiten, beispielsweise im Restaurant, habe ich schon aufgepasst, dass die Kunden die betroffenen Hautstellen nicht direkt sehen», erzählt sie. «Aber ich habe mich nie geschämt! Das Unwissen über die Krankheit ist immer noch gross. Wenn mich Menschen wegen der Psoriasis neu­ gierig anschauen, frage ich immer direkt: Was möchten Sie wissen? So komme ich mit den Leuten ins Gespräch.»

 

22 Jahre bis zur Diagnose
Bereits mit acht Jahren entdeckte Liliane eine gerötete Stelle auf ihrer Kopfhaut und wurde deswegen zum Arzt geschickt. Dieser diagnostizierte ein Ekzem und verschrieb ihr dagegen eine Salbe – doch das Ekzem hielt sich hartnäckig und verschwand nicht. Es folgten weitere Arztbesuche, Ratschläge bezüglich Ernährungsumstellung, Cremes und Salben. Erst als Dreissigjährige erhielt sie schliesslich die Diagnose Psoriasis – von einem «guten Dermatologen», wie sie selber sagt. «Er meinte: Oh, das ist nur Psoriasis>», erzählt sie und lacht. Nach der Diagnose probierte Liliane wie die meisten Psoriatikerinnen und Psoriatiker viele verschiedene Therapien und Medikamente aus, um das für sie Passende zu finden. Ob Homöopathie, Akupunktur und -pressur, Phytotherapie, PUVA- und Lichttherapie, Osteopathie, Chiropraktik, Bädertherapie oder verschiedene Kortisoncremes und -injektionen – Liliane wurde viel verschrieben, doch nichts brachte ihr langfristige Linderung. Nicht einmal die neuen vielversprechenden Biologika-Medikamente schlugen bei ihr an.

 

Nicht nur die Haut ist betroffen
Mittlerweile hat Liliane eine kortisonhaltige Salbe gefunden, die gut gegen die Hautentzündungen nützt und mit der sie ihre Psoriasis im Griff hat. Betroffen sind bei ihr vor allem Hände und Füsse, aber auch Ellenbogen, Knie und Ohren. Gerade an den  Füssen treten  zusätzlich  zu den klassischen schuppenden Hautrötungen auch kleine Bläschen auf – typisch für die sogenannte pustulöse Psoriasis. Einmal pro Woche bekommt Liliane deshalb Besuch von der Spitex, um die schmerzhaften Bläschen an den Füssen zu beseitigen und ihre Füsse zu versorgen. Für diese Besuche ist sie sehr dankbar, insbesondere auch, weil die Krankenkasse die beträchtlichen Kosten trägt.

 

Neben den Psoriasis-Herden auf der Haut zeigen sich bei Liliane mittlerweile auch Symptome in den Gelenken: Besonders in den Fingern und an den Knien kämpft sie mal mehr, mal weniger mit Entzündungen, die durch Psoriasis­ Arthritis entstehen. Dagegen hilft ihr vor allem eine regelmässige Physiotherapie. «Viele Leute wissen nicht, dass es sich bei Psoriasis um eine Autoimmunkrankheit handelt. Nicht nur meine Haut ist betroffen – der ganze Körper spielt manchmal verrückt!», erzählt Liliane. Es gebe Tage, da fühle sie sich einfach nicht wohl, ohne genau sagen zu können, wieso. Allgemein reagiert sie zum Teil empfindlich auf ihre Umwelt, beispielsweise auf Staub, Pollen oder Parfum. Deshalb hat sie ihr Zuhause vorbeugend auch von sämtlichen möglichen Reizstoffen und Allergenen wie Daunendecken und Teppichen befreit. Eine unerwartete weitere Folge der Psoriasis: Aufgrund der vielen verschiedenen Medikamente, die Liliane über Jahre hinweg eingenommen und angewendet hat, ist ihre Leber stark belastet.

 

«Jeder Patient hat seine ganz eigene Psoriasis»
Ob die Krankheit bei ihr erblich bedingt ist, weiss Liliane nicht – weder ihre Mutter noch ihre Grosseltern litten an Psoriasis. Und auch was genau die Krankheitsschübe bei ihr auslöst oder begünstigt, kann Liliane nicht sagen. Sie merkt beispielsweise keine saisonalen Unterschiede oder Auswirkungen ihrer Ernährung auf die Haut. Nach vielen Versuchen der Ernährungsumstellung isst sie deshalb heute einfach das, worauf sie Lust hat. Aber jeder Mensch sei da anders, betont sie: «Man kann nicht sagen: Du hast  Psoriasis, mach doch das oder das. Jeder Mensch ist anders, und jeder Patient hat seine ganz eigene Psoriasis. Es gibt kein allgemeingültiges Rezept.»

 

Austausch mit anderen Betroffenen
Betroffenen rät sie vor allem, offen über ihre Krankheit und über ihre Beschwerden zu sprechen und sich mit anderen auszutauschen. Für Liliane war es gerade in der Romandie schwierig, mit anderen Patientinnen und Patienten in Kontakt zu kommen. Schliesslich stiess sie auf die Schweizerische Psoriasis- und Vitiligo-Gesellschaft (SPVG) und deren Re­ gionalgruppen. Seit drei Jahren sitzt sie nun bereits im Vor­ stand der Patientenorganisation. Dieses Engagement ist ihr sehr wichtig, denn nach wie vor sieht sie sich, wie viele Betroffene, durch ihre Krankheit mit hartnäckigen und falschen Vorurteilen konfrontiert – beispielsweise, dass Psoriasis ein Zeichen von mangelnder Hygiene sei. Und: «Müsste ich nur eine Sache ganz gross auf eine Fahne schreiben, dann wäre es: Psoriasis ist nicht ansteckend!» Um diese Mythen zu entkräften, ist es ihr wichtig, dass sich Patientinnen und Patienten nicht verstecken, sondern sich miteinander vernetzen, beispielsweise über die sozialen Medien, in Facebook-Gruppen oder Patienten-organisationen. Liliane ist überzeugt, dass der Austausch mit anderen Betroffenen dabei hilft, eine positive Einstellung zu bewahren und das Bewusstsein für Psoriasis in der Bevölkerung weiter zu stärken.