«Reduziere dich nicht auf deine Krankheit»

Marina Stricker hat sich eingehend mit ihrer Vitiligo beschäftigt und sieht auch positive Seiten daran. Sie ist der Ansicht, dass die Erkrankung Betroffenen etwas aufzeigen will: sich selbst kennenzulernen und auf sich und seine Bedürfnisse zu achten. Sie möchte allen von einer Hautkrankheit betroffenen Menschen Mut machen, sich nicht darauf reduzieren zu lassen und ihre Träume zu leben.
Warum hast du dich entschieden, die SPVG als Präsidentin zu unterstützen?
Das Thema Vitiligo liegt mir sehr am Herzen, da ich selbst davon betroffen bin und von meinen Erfahrungen profitieren kann. Bereits vor zwei oder drei Jahren habe ich in mein Tagebuch eine Art Rede geschrieben, mit der ich Betroffenen Mut machen und sie darüber aufklären wollte, was die Krankheit sein kann und dass wir ihr nicht einfach ausgeliefert sind. Als die Ankündigung kam, der Verein könne aufgelöst werden, war ich sehr überrascht. Ich sah darin aber auch die Gelegenheit, meine Sicht in den Verein einzubringen und Betroffenen somit eine andere Perspektive auf die Erkrankung zu bieten.
Was meinst du damit? Eine positive Perspektive nehme ich an...
Genau, dass wir nicht Opfer unserer Krankheit sind, sondern dass unser Körper uns leitet. Wenn wir denn auf ihn hören wollen.
Belastet dich die Vitiligo im Alltag? Falls ja, wie und wann?
Die Vitiligo belastet mich an und für sich nicht. Bis vor einigen Jahren hatte ich noch viel grössere und stärkere helle Flecken um die Augen. Da ich gerne Ski fahre und surfe, hat das irgendwie auch meinem Look entsprochen und ich habe mich darüber als einzigartig identifiziert. Dementsprechend habe ich so gut wie keine schlechten Erfahrungen gemacht, sondern im Gegenteil eher Komplimente dafür bekommen. Was mir allerdings lange nicht bewusst war und mich eher belastet, ist das Thema Entzündungen. Dieses ist bei der Vitiligo grundsätzlich nicht so schlimm, zeigt sich aber häufig durch Begleiterkrankungen. Bei mir zum Beispiel durch Nebenhöhlenentzündungen, die mich deutlich mehr belasten. Das ist durchaus ein Grund, sich eingehender mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Was tust du dagegen oder was hilft dir?
Ich versuche, mich immer besser kennenzulernen. Zu unterscheiden, was ich wirklich für mich und was immer noch für andere tue oder, weil ich es so gelernt habe. Meine Bedürfnisse ernst zu nehmen und dafür einzustehen.
Was tust du für dein mentales Gleichgewicht?
Dazu gehört sicherlich dasselbe wie zur vorherigen Frage: Möglichst gut auf mich achten. Erkennen, was mir guttut und was nicht und mich nach dem ausrichten. Dazu gehört auch Sport, körperliche Bewegung in der Natur, Zusammensein mit meiner Hündin, auf gute Nahrung achten, Yoga und so weiter…
Welche Therapien hast du ausprobiert?
Ich habe keine Therapien in Bezug auf Vitiligo gemacht. Was ich stattdessen gemacht habe und immer noch mache, ist, an meinen persönlichen Themen zu arbeiten. Dabei habe ich Verschiedenes ausprobiert, unter anderem Ausbildungen in den Bereichen NLP-Coaching, Energiearbeit und Kräuterkunde. In dieser Zeit ist man auch sehr intensiv mit seinen Prozessen beschäftigt.
Hast du Erfahrungen mit «Opzelura» gemacht?
Nein.
Welchen Nutzen bringt die neue Creme Betroffenen in deinen Augen?
Ich denke, dass die Creme vor allem Betroffenen mit einem grossen Leidensdruck eine erste Hilfe sein kann. Leidensdruck bedeutet Stress und wenn dieser dadurch gemindert werden kann, ist das auf jeden Fall schon viel Wert. Wenn der gröbste Stress beseitigt ist, kann man sich entspannter um sein Leben kümmern. Was meiner Ansicht nach fast unerlässlich ist. Denn der Körper zeigt uns durch die Krankheit ein Ungleichgewicht auf, das, um Heilung zu finden, wieder in Balance kommen möchte.
Kannst du dich auch in Psoriasis-Betroffene einfühlen?
Natürlich habe ich mich durch meine Vitiligo viel mehr damit befasst als mit Psoriasis. Aber die beiden Krankheiten haben einiges gemeinsam; es sind beides Autoimmunerkrankungen, mit Entzündungen, die die Haut betreffen. Die Haut im Allgemeinen steht für Zugehörigkeit und Abgrenzung. Die verschiedenen Krankheiten zeigen Themen auf (mein Lieblingsbuch dazu ist «Krankheit als Symbol» von Ruediger Dahlke), aber letzten Endes zeigt sich das bei jeder Person auf eine andere Art. Wenn man den Themen auf den Grund gehen will, ist sicher wichtig, dass man dies tut, um bestimmte Bereiche im Leben zu verbessern und nicht nur der Krankheit wegen.
Welchen Nutzen siehst du in unseren Selbsthilfegruppen?
Ein Austausch mit anderen Betroffenen ist sehr wertvoll. Man wird verstanden und weiss, wovon man redet. Man kann Erfahrungen teilen und sich gegenseitig unterstützen.
Was ist dein Rat für andere Betroffene?
Reduziere dich nicht auf deine Krankheit; beginne, deine sehnlichsten Träume zu verwirklichen – dabei begegnest du bestimmt deinen Themen und erfährst Heilung. Lerne dich selbst immer wieder aufs Neue kennen und schätzen.